Die meisten Menschen sind digitale Messies. Sie legen ihre Daten ohne System ab, räumen nie auf und verlieren dadurch die Kontrolle über ihre digitale Umgebung. Das Problem: Sie merken es nicht einmal. Das Perfide am digitalen Chaos ist, dass es unsichtbar bleibt. Während uns überfüllte Schreibtische und Papierstapel täglich anklagen, versteckt sich unser Datenchaos hinter sauberen Desktop-Oberflächen. Aus den Augen, aus dem Sinn – bis zur nächsten verzweifelten Suche. Das Böse daran: ohne System wird jede Suche zum Zeitgrab. Wer seine Dateien nicht wiederfindet, verliert nicht nur Zeit und Nerven, sondern auch das Vertrauen in die eigene digitale Kompetenz. Die Lösung? Noch mehr speichern – nur für alle Fälle. Könnte man ja noch mal brauchen.
Anders als beim Abwasch und dem Reinigen der Küchenablage nach dem Kochen fehlt uns digital ein klares Abschlussritual. Eine Aufgabe gilt als erledigt, sobald wir das Fenster schließen. Dass mit dem Schließen des Programms eine weitere Datei ins Nirgendwo wandert, stört uns in dem Moment nicht.
Je größer der unsortierte Datenberg wird, desto stärker wird auch die Vermeidung. Was heute zehn ungeordnete Dateien im Downloads-Ordner sind, sind in ein paar Wochen schon mehrere hundert. Irgendwann ist die Aufgabe dann so überwältigend, dass selbst eine Wurzelbehandlung beim Zahnarzt nach einer angenehmen Alternative klingt.
Und beim nächsten Gerätewechsel wandert das Chaos einfach mit – Migration ohne Reflexion. Alte Dateien werden übernommen und auf den neuen Rechner geschaufelt, statt sie zu überprüfen. So schleppt man im Laufe der Jahre immer mehr digitalen Ballast mit sich herum, wie einen schlecht gepackten Umzugskarton, der schon zum dritten Mal unausgepackt mit umzieht und von dem wir schon gar nicht mehr genau wissen, was sich darin befindet.
Viele halten sich für organisiert, weil ihr Desktop aufgeräumt aussieht. Aber das as ist nichts anderes als ein Potemkinsches Dorf – eine hübsche Fassade nach dem Motto „Außen hui, innen pfui”. Die Festplatte gleicht einem vollgestopften Schrank in der Abstellkammer, in dem man nichts mehr findet, aus dem einem aber alles entgegenfällt, wenn man die Tür öffnet.
Digitale Ordnung beginnt damit, eine Aufgabe bewusst abzuschließen. Was noch gebraucht wird, kommt unter einem aussagekräftigen Namen in den passenden Ordner – alles andere wird gelöscht. Wenn du dich dazu nicht durchringen kannst, speichere die „Wackelkandidaten” in einem separaten Ordner „Temporär” und lösche einmal wöchentlich gnadenlos und ohne zweites Hinsehen alle Dateien, die dort schon mehr als 30 Tagen liegen. Klingt vielleicht hart, wirkt aber Wunder.