Die Kalender-Falle: Warum ’später‘ auch nie mehr Zeit ist

Wir kennen wohl alle diese Situation: Unsere Kalender sind so vollgestopft mit Meetings, Regelterminen und anderen Verpflichtungen, dass wir kaum noch wissen, wann wir die ganzen dringenden Dinge von unserer To-Do-Liste erledigen sollen, für die wir bisher noch gar keine Zeit reserviert haben. Und damit sind wir erst mal nur bei den Dringlichkeiten – also noch nicht die Projekte, die wir aus Zeitmangel schon so lange vor uns herschieben, obwohl sie uns so viel weiterbringen würden, wenn wir sie nur endlich in Angriff nehmen würden.

Wenn wir in unserem Kalender ein paar Wochen weiterblättern, sieht es meist erfreulich anders aus. Bis auf eine Handvoll bereits feststehender Termine sieht unser Kalender dort noch herrlich leer aus. Und da ist er wieder, der hoffnungsvolle Gedanke: „Nächsten Monat habe ich endlich wieder mehr Zeit“.

Doch der scheinbar leere Kalender ist nur eine Illusion. Leider füllt sich unser Kalender in der Praxis schneller als uns lieb ist mit dringenden Aufgaben, unerwarteten Herausforderungen und anderen Verpflichtungen, die wir heute noch gar nicht auf dem Radar haben. Und schließlich ist der vermeintlich freie Kalender genauso voll wie der heutige.

Hier greifen zwei psychologische Mechanismen ineinander: die Optimismusverzerrung und der Planungsfehlschluss.

Die Optimismusverzerrung (optimism bias) sorgt dafür, dass wir für unsere Zukunft die Eintrittswahrscheinlichkeit positiver Ereignisse („endlich mehr Zeit“) überschätzen, während wir die Wahrscheinlichkeit negativer Ereignisse („die nächste Krise kommt bestimmt“) unterschätzen. Wir glauben also wirklich, dass wir in der Zukunft mehr Zeit zur Verfügung haben werden, weniger andere Verpflichtungen haben werden, seltener gestört und abgelenkt werden und sowieso mehr Energie haben werden, um effizienter arbeiten zu können.

Der Planungsfehlschluss hingegen führt dazu, dass wir den Zeitaufwand für zukünftige Aufgaben und wiederkehrende Verpflichtungen unterschätzen.

Die Folge dieser Fehleinschätzung ist, dass strategische Projekte, die zwar wichtig, aber nicht unmittelbar dringlich sind, immer wieder auf „später, wenn…“ verschoben werden, bis sie irgendwann ganz aufgebeben werden. Am Ende bleiben die wirklich wichtigen Ziele unerreicht, während sich unser Leben kontinuierlich mit dringenden, aber weniger wichtigen Aufgaben, Terminen und Verpflichtungen füllt, die unsere Ziele unter sich begraben.

Der Schlüssel zum Erfolg liegt darin, einfach anzufangen, auch wenn wir im Moment höchstens ein paar Minuten pro Tag für unser Ziel aufwenden können. Eine Viertelstunde fokussierte Arbeit an einem strategischen Projekt pro Tag ist hundertmal mehr wert, als immer weiter auf den „perfekten Tag“ zu warten, der wie eine Fata Morgana immer weiter in die Zukunft rückt.

Falls du dich fragst, wie man in nur 15 Minuten ein Projekt sinnvoll voran bringen kann: die Antwort lautet „MVAs“. Eine MVA ist eine „Minimum Viable Action“, sozusagen der kleinstmögliche Fortschritt, den du bei deinem Projekt erzielen kannst. Es sind kleine, schnelle Aktionen, die dein Projekt in Gang bringen, es am Laufen halten und so nach und nach den auf den ersten Blick so unbezwingbaren Arbeitsberg Steinchen für Steinchen abtragen.

Das können solche Kleinigkeiten sein, wie auf dem Server ein Verzeichnis für die Projektunterlagen anzulegen, 15 Minuten Notizen für einen Projektplan festzuhalten oder sich an der Kaffeemaschine zehn Minuten mit einem Kollegen zu unterhalten, der ebenfalls von der Umsetzung des Projekts profitieren würde und dich vielleicht sogar bei der Umsetzung unterstützen könnte. Es geht nicht darum, in kürzester Zeit beeindruckende Fortschritte zu erzielen, sondern einfach nur den Ball ins Rollen zu bringen und damit eine Eigendynamik zu entwickeln.

Lege eine MVA-Liste für dein Projekt an, auf der immer mindestens 5 Mini-Aktionen stehen, die als „next actions“ dein Projekt ein bisschen weiter in Richtung der Ziellinie schieben. Nimm dir jeden Tag mindestens eine dieser „Minimum Viable Actions“ von deiner Liste vor. Solche kleinen, täglichen Handlungen bringen viel mehr als ein seltener, heroischer Mammutakt, auf den wieder eine viel zu lange Phase der Inaktivität folgt – sozusagen wie bei der alten Geschichte von Hase und Igel.

Falls du im Alltagsstress dazu neigst, solche neuen Gewohnheiten zu vergessen, solltest du dir Zeit für die Erledigung deiner täglichen MVA im Kalender reservieren – am besten als Serientermin, damit die Zeit automatisch reserviert ist, ohne dass du jeden Tag daran denken musst, einen neuen Termin einzutragen. Ein solcher Serientermin hat auch den Vorteil, dass dir niemand mehr einen anderen Termin für diese geblockten Zeiten unterjubeln kann.

Ein weiterer Vorteil solcher regelmäßiger „Mikrofortschritte“ bei strategischen Projekten ist, dass dein Projekt dadurch ständig im Fokus deines Unterbewusstseins bleibt. Während du ‚bewusst‘ an ganz anderen Dingen arbeitest, beschäftigt sich dein Unterbewusstsein, ohne dass du das mitbekommst, im Hintergrund bereits mit den nächsten notwendigen Schritten, offenen Fragen oder noch ungelösten Problemen und versorgt dich in stillen Momenten, wenn du es gar nicht erwartest, mit spontanen Eingebungen und guten Ideen für dein Projekt.

Falls du immer noch nicht so richtig überzeugt bist, überlege einmal selbst: Wenn du dein Projekt vor drei Monaten begonnen hättest und seitdem jeden Tag im Schnitt nur 15 Minuten daran gearbeitet hättest, wären bis heute immerhin 16 Stunden zusammengekommen – das entspricht zwei vollen 8-Stunden-Arbeitstagen.

Warte daher nicht länger. Überlege dir heute noch, welches erfolgreich abgeschlossene Projekt dich am meisten voran bringen würde, und stelle eine Liste mit mindestens fünf MVAs auf, die du heute bereits anstoßen könnest, um den Stein ins Rollen zu bringen. Nimm dir eine einzige dieser Aktionen noch für heute vor und trage einen Serientermin in deinem Kalender ein, um die Erfolgsserie nicht abreißen zu lassen. Wenn du in einigen Wochen zurückblickst, wirst du froh sein, diese Entscheidung getroffen zu haben.


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