Wissensmanagement in Projekten: So bewahren Firmen ihr Know-how als Erfolgsfaktor

Gerade in kleinen und mittelständischen Unternehmen geht immer wieder wertvolles Wissen verloren. Meist nicht durch böse Absicht, sondern durch Nachlässigkeit und mangelnde Dokumentation.

Vielleicht kommt dir diese Situation ja auch bekannt vor: Kaum ist das aktuelle Projekt inhaltlich abgeschlossen, drängt schon das nächste Projekt mit seiner nahenden Deadline. Oft fehlt dann die Zeit, das gerade abgeschlossene Projekt sauber abzuschließen und zu dokumentieren. Von Best Practices wie einem ‚Lessons Learned‘-Workshop ganz zu schweigen. Wenn dann auch noch Mitarbeiter das Unternehmen verlassen, die an dem Projekt maßgeblich beteiligt waren, gehen wertvolle Informationen unwiederbringlich verloren.

Ich selbst habe in meiner beruflichen Praxis mehr als genug solcher Fälle erlebt. Da wurde eine Softwareentwicklung zwar so weit abgeschlossen, dass das Programm zur Zufriedenheit des Auftraggebers funktionierte – aber für eine saubere Dokumentation war keine Zeit mehr. Irgendwann sollte das Programm dann an ein neues ERP-System angepasst werden, doch der verantwortliche Programmierer hatte das Unternehmen schon vor Jahren verlassen und die Dokumentation war so rudimentär, dass die Anpassung des Programms nach mehreren kosten- und zeitintensiven Fehlversuchen aufgegeben und das Programm stattdessen von Grund auf neu entwickelt werden musste.

In einem anderen Unternehmen wurde eine Kleinserie von Sonderanlagen für einen Kunden gebaut, aber aus Zeitmangel so wenig dokumentiert, dass die Entwicklungsabteilung am Schluss hoffte, der Kunde würde nie wieder eine solches Anlage nachbestellen, da man sie sonst fast von Grund auf neu entwickeln müsste.

Gerade in KMUs ist es oft kritisch, weder Zeit noch Geld zu verschwenden, um das gleiche Problem mehrfach zu lösen. Als Projektleiter ist es daher eine deiner wichtigsten Aufgaben, solchen Problemen durch ein effektives Wissensmanagement im Projekt proaktiv entgegenzuwirken.

Ein funktionierendes Wissensmanagement sorgt nicht nur dafür, dass Projektergebnisse nachvollziehbar und rekonstruierbar sind. Es stellt auch sicher, dass dein Team aus jedem Projekt wertvolle Lektionen lernt und dieses Wissen in Zukunft für ähnliche und verwandte Aufgaben effektiv nutzen kann. So wird Wissensmanagement zu einer wichtigen Grundlage für effiziente Prozesse und damit zu einem klaren Wettbewerbsvorteil.

Oftmals ist das Wissen aus Projekten nur in den Köpfen und lokal abgelegten, fragmentierten Dokumenten der einzelnen Projektmitarbeiter gespeichert. Dokumente, die weder katalogisiert noch für andere Mitarbeiter einsehbar sind und somit entweder nach und nach in Vergessenheit geraten oder spätestens mit dem Ausscheiden des Mitarbeiters unwiederbringlich verloren gehen.

Auch wenn die Zeit drängt, ist eine ‚BAN-Lösung‘ (Besser als nichts), am Ende eines Projekts alle projektbezogenen Dokumente aller Mitarbeiter von ihren lokalen Laufwerken und Verzeichnissen in ein zentrales Projektarchiv-Verzeichnis auf dem Server zu kopieren – sinnvollerweise jeweils in einen Unterordner mit dem Namen des jeweiligen Mitarbeiters. Solange alles noch frisch im Gedächtnis ist, weiß jeder Beteiligte noch, um welche Daten es sich handelt. Dieser minimale Schritt erleichtert zumindest die spätere Suche nach Informationen und durch die namentliche Kennzeichnung der Unterordner weiß man dann auch, an wen man sich bei Unklarheiten oder Lücken in bestimmten Daten wenden kann. Vieles, wie z.B. wichtige E-Mails zum Projekt, die nur in den E-Mail-Postfächern der Beteiligten existieren, fehlt aber in einer solchen Minimaldokumentation völlig – und oft sind es gerade diese Dinge, die einem später schmerzlich auf die Füße fallen.

Besser ist es, bereits während des Projekts eine zentrale Dokumentation auf dem Server einzurichten und dort alle relevanten Dateien und Informationen in der jeweils aktuellsten Version abzulegen. Auch wichtige E-Mails können in dem Ordner abgelegt werden. Als Dateinamen empfehle ich immer: Datum im ISO-Format, Absender, kurze Beschreibung des wichtigen Inhalts – also z.B. „2024-11-16 Scherer, Frank – Besprechungsprotokoll Verhandlung mit Mustermann AG“. Das hat auch den Vorteil, dass alle relevanten Projektdokumente dem gesamten Team zur Verfügung stehen, auch wenn einzelne Mitarbeiter unerwartet ausfallen, z.B. durch Krankheit.

Wenn das Projekt mit Tools wie MS Project gesteuert wird, empfehle ich, beim ‚prozentualen Fortschritt‘ einzelner Projektabschnitte nur fünf Werte zuzulassen: 0% = nicht begonnen, 25% = begonnen, 50% = mehr als zur Hälfte erledigt, 75% = inhaltlich abgeschlossen, 100% = abgeschlossen und sauber dokumentiert. Diese kleine Differenzierung verhindert, dass aus Zeitmangel auf eine Dokumentation verzichtet wird, die zu diesem Zeitpunkt nicht so wichtig erscheint. Später fehlt erfahrungsgemäß die Zeit dafür, die Informationen und Details sind nicht mehr so frisch im Kopf und der Punkt ‚Dokumentation‘ wird dann stillschweigend unter den Teppich gekehrt.

Einheitliche Vorlagen und verbindliche Anleitungen für die Dokumentation der Projektabschnitte oder des Projektabschlusses erleichtern die Arbeit und sorgen dafür, dass erstens nicht jeder das Rad für sich neu erfindet und zweitens keine wichtigen Details vergessen werden.

Zum Projektabschluss gehört neben dem klassischen ‚Lessons Learned‘ (Was ist gut gelaufen, was nicht? Auf welche Probleme sind wir gestoßen, wie haben wir sie gelöst und wie können wir sie beim nächsten Projekt vermeiden? Was wollen wir beim nächsten Mal genauso machen und was wollen wir ändern?) auch ein ‚Großreinemachen‘ bei den Projektunterlagen.

Die Erfahrung zeigt, dass sich im Laufe eines Projektes von manchen Dateien diverse unterschiedliche Versionen ansammeln, bei denen man nur bei guter Organisation anhand einer Versionsnummer oder eines Datums im Dateinamen erkennen kann, welche die aktuellste ist. Es ist empfehlenswert, immer nur die aktuellste Version aufzubewahren oder, falls ältere Versionen als Historie aufbewahrt werden müssen, diese mit einer eindeutigen Kennzeichnung (Datum, Version) in einen Archiv-Unterordner zu verschieben.

Ebenso sammeln sich oft temporäre Dateien an, die im Laufe des Projektes oder spätestens mit dessen Abschluss ihre Bedeutung verloren haben. Diese Dateien sollten systematisch gesichtet und bereinigt werden. Ist man sich bei einer Datei nicht ganz sicher, ob sie in irgendeinem Zusammenhang noch einmal benötigt werden könnte, wird sie unter einem Dateinamen, der ihren Inhalt und Verwendungszweck klar erkennen lässt, in einem Dateiordner ‚Sonstiges‘ abgelegt.

Papierdokumente, die sich im Laufe des Projekts angesammelt haben, sollten ebenfalls gesichtet und bereinigt werden. Ausdrucke von Dateien, die in elektronischer Form auf dem Server liegen, können in der Regel entsorgt werden. Alles, was (vielleicht) später nochmal benötigt wird, sollte eingescannt und im Projektordner auf dem Server abgelegt werden. Wenn man keine Zeit hat, jedes Dokument einzeln einzuscannen und zu benennen, kann man auch ganz pragmatisch den ganzen Papierstapel auf einmal einscannen und als komplettes PDF im Projektordner ablegen. Im schlimmsten Fall muss man dann später ein dickes PDF nach den benötigten Informationen durchsuchen, aber das ist immer noch schneller und einfacher, als im Archiv nach einem alten Leitz-Ordner zu suchen, der mit etwas Pech zwischenzeitlich schon entsorgt wurde oder sonstwie unter die Räder gekommen ist.

Dieses ‚Aufräumen‘ am Ende des Projektes muss keine langwierige Angelegenheit sein. Je nach Größe des Projektes reicht es meist aus, wenn sich alle Beteiligten für 2-4 Stunden zusammensetzen, um alles zu sichten und zu sortieren. Eine systematische Dokumentation des Projektwissens muss weder kompliziert noch zeitaufwendig sein. Es kommt nur darauf an, die Dokumentation von Anfang an als festen Bestandteil der Projektprozesse zu etablieren – sowohl in der laufenden Projektarbeit als auch als verbindlicher Bestandteil jedes Projektmeilensteins.

Um die Dokumentation des Projektwissens systematisch und nachhaltig umzusetzen, empfehle ich als Vorgehensweise das SAVE-Framework. Dieses besteht aus den vier Phasen

  1. Struktur aufbauen
  2. Ablage aller Projektinformationen
  3. Validierung der Dokumentation
  4. Ergebnissicherung.

Die Details in der nachfolgenden Erläuterung des SAVE-Frameworks sind nicht als starre Vorgabe zu verstehen, sondern sollen lediglich als Beispiel dienen. Welche Ordnerstrukturen, Vorlagen o.ä. für dich und dein Unternehmen in der Praxis sinnvoll sind, kannst nur du selbst anhand deiner konkreten Anforderungen beurteilen.

S – Struktur aufbauen

  • Zentrales Projektverzeichnis auf dem Server anlegen
  • Zugriffsberechtigungen einrichten
  • Standardisierte Ordnerstruktur erstellen, z. B.
    – Projektmanagement (mit Projektplan, Projekttagebuch etc.)
    – Technische Dokumentation
    – Protokolle
    – Korrespondenz
    – Verträge & rechtliche Dokumente
    – Arbeitsergebnisse
    – Dokumentationsvorlagen bereitstellen
    – Namenskonventionen für Ablage von Dokumenten, Mails etc. festlegen (z.B. „JJJJ-MM-TT Dokumentenbezeichnung“)

A – Ablage aller Projektinformationen

  • Projektrelevante Entscheidungen dokumentieren (z. B. im Projekttagebuch)
  • Wichtige E-Mails mit einheitlicher Nomenklatur im Projektverzeichnis speichern
  • Besprechungsprotokolle zentral ablegen
  • Technische Lösungen und Workarounds dokumentieren
  • Aufgetretene Probleme, deren Ursachen und gefundene Lösungen dokumentieren
  • Abgeschlossene Projektabschnitte dokumentieren

V – Validierung der Dokumentation

  • Regelmäßige Prüfung der Dokumentation auf Vollständigkeit und Korrektheit (spätestens bei Erreichen eines Meilensteins)
  • Lücken in der Dokumentation und den Projektunterlagen identifizieren und beheben
  • Versionsmanagement (und ggf. Archivierung der Historie) sicherstellen
  • Vier-Augen-Prinzip bei kritischen Dokumentationen (erstellt/freigegeben)

E – Ergebnissicherung

  • Lessons-Learned-Workshop durchführen, Ergebnisse im Projektverzeichnis ablegen
  • Projekt-Retrospektive erstellen
  • Empfehlungen für Folgeprojekte formulieren
  • Papierdokumente digitalisieren und im Projektverzeichnis ablegen
  • Projektverzeichnis bereinigen (Dubletten, alte Versionen, nicht mehr benötigte Dateien)
  • Projektunterlagen in einer übersichtlichen und logischen Ordnerstruktur final ablegen
  • Archivierung nach definierten Regeln

Denke immer daran: Jedes sauber und lückenlos dokumentierte Projekt ist eine Investition in die Zukunft. Die jetzt investierte Zeit kann dir später ein Vielfaches an Zeit (und Nerven) sparen. Wenn du gerade aktiv an einem Projekt arbeitest, beginne am besten schon heute damit, die notwendigen Strukturen zu schaffen und alle Projektdaten ab sofort zentral abzulegen. Selbst wenn du am Ende nur eine ‚Besser-als-nichts‘-Dokumentation wie oben skizziert hinbekommst, weil das Projekt schon zu weit fortgeschritten ist, ist das immer noch besser, als mit der Umsetzung bis zum nächsten Projekt zu warten.


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